Jeder Reisende ist anders, jeder Mensch hat andere Vorlieben. Jennifer aus Rostock in Mecklenburg-Vorpommern ist unser erster Vintastic Traveller. Für sie steht die Natur im Fokus, sie findet auf Reisen den Bruch im Alltag. Als besonders introvertierte Reisende sind ihre Geschichten geprägt von Achtsamkeit und einem hohen Bewusstsein für sich selbst und ihre Umgebung. Auf Ihrem Blog Wanderlust Introvert vermittelt sie ein besseres Verständnis für die besonderen Bedürfnisse von introvertierten Menschen und gibt ihre Erfahrungen weiter an andere introvertierte Reisende.
Heute erzählt sie uns, was ihr das Reisen bedeutet, wie sie am liebsten unterwegs ist und welche Reiseziele sie nicht mehr loslassen.
Inhaltsverzeichnis
Reisen war für mich früher eine Art Zäsur, um meinem Alltag zu entfliehen. Das war nicht immer eine gute Idee, da wir unsere Probleme auf Reisen einfach mitnehmen. Mittlerweile ist unterwegs zu sein für mich eher ein Weg, um die wunderschönen Seiten dieses Planeten kennenzulernen. Ein uralter Baum, ein Sternenhimmel oder ein Berg geben mir das Gefühl, die Welt ein wenig besser zu verstehen und mich etwas weniger sorgen zu müssen.
Meine erste „große“ Reise war ein gut dreiwöchiger Australien-Urlaub mit meinen Eltern – mit dem Camper von Sydney nach Cairns. Damals war ich 12 Jahre alt und ich träume heute noch davon. Obwohl ich weiß, dass ich auch ein wenig meiner unbeschwerten Kindheit nachhänge, hat mich dieser Trip einfach so sehr geprägt, dass immer klar war, ich müsste noch einmal weit weg. 2015 war ich dann tatsächlich noch einmal für sechs Monate in Australien.
Ich reise anders, als die meisten Kataloge es mir verkaufen wollen. Zum einen bin ich kein Freund reiner Hotelurlaube, da ich dafür nicht extra Geld ausgeben muss. Ich nehme mir meine Auszeiten, egal, wo ich bin. Auf der anderen Seite möchte ich aber auch nicht der klassische Backpacker sein, der so viele Menschen wie möglich trifft und jeden Tag zu einem Abenteuer macht.
Als introvertierter Mensch hat man nur eine begrenzte Menge an (sozialer) Energie pro Tag zur Verfügung. Wenn ich mich zwinge, so viel wie möglich zu erleben, dann verliere ich diese Energie und höre auf, die Erfahrungen wirklich zu genießen. Das hat mir die ein oder andere Reise bereits verhagelt. Mittlerweile kann ich meine Bedürfnisse besser einschätzen. Das ist meiner Meinung nach viel wichtiger als das eigentliche Reiseziel.
Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, Introvertierten und denen, die mit ihnen zu tun haben, ein besseres Verständnis von unseren speziellen Bedürfnissen zu vermitteln.
Jennifer Häuser, Wanderlust Introvert
Spanien, Belgien, Ungarn, Polen, Dänemark, Schweden, Norwegen, Hong Kong, Australien, Neuseeland und Kanada. Glaube ich, hoffentlich waren das alle. Meine große Liebe war lange Zeit Australien, dann Neuseeland, doch aktuell ist es definitiv Kanada.
Die Frage habe ich ja praktisch schon beantwortet, denn Australien war der Auslöser für meine Reiselust. Doch auch mein Urlaub in Kanada 2018 hat Spuren hinterlassen. Dieses Land ist so unglaublich schön, meine Freunde sind schon genervt, wie häufig ich davon spreche.
Dort haben die Menschen ein so viel größeres Bewusstsein für die wunderbare Natur, die sie umgibt. Die Kanadier hegen und pflegen ihre Umwelt. Als Besucher reist du von einem Highlight zum nächsten. Neben riesigen, klaren Seen stehen imposante Berge. Dahinter verläuft noch ein unendlich langer Fluss, an dem Bären, Elche und Murmeltiere zu sehen sind wie bei uns Rehe auf den Feldern. Dazu die freundliche Art der Kanadier, die niemals auf die Idee kommen würden, dir vor die Füße zu laufen oder die Tür vor der Nase zuzuknallen. Sie erfüllen das Klischee manchmal schon auf absurde Art und entschuldigen sich ständig. Nur ob sie im Dunkeln wirklich Angst haben, muss ich noch herausfinden.
Natur ist mir definitiv wichtiger als Menschen. Ich beobachte selbstverständlich die Kultur und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Menschen vor Ort und uns Deutschen, aber das ist nicht mein Antrieb.
Ich weiß gar nicht, ob ich irgendetwas Spezielles suche. Die Momente, an die man sich später erinnert, sind ja nicht wirklich planbar. Von Australien 2015 blieb am ehesten der Tag hängen, an dem wir unter Schwerstarbeit stundenlang Sturmschäden an Weinreben beseitigen mussten. Mein Highlight in Kanada 2018 war der wundervoll stille Morgen am Emerald Lake. In Spanien bin ich stundenlang mit dem Familienhund durch die karge Landschaft Kataloniens gewandert. Vielleicht ist das einzige, was diese Momente verbindet, die Zufriedenheit, die ich gespürt habe.
Bisher bin ich von ernsthaft brenzligen Situationen verschont geblieben, aber das ist bei der Auswahl meiner bisherigen Reiseziele auch kein Wunder. Außerdem haben mir meine Eltern eine gesunde Portion Vorsicht und Menschenkenntnis anerzogen. Ich steige bestimmt nicht für ein Selfie über eine Absperrung oder in das Auto eines Fremden.
Eigentlich sollte ich jetzt gerade in Kanada sein, da hat mir Corona aber leider einen Strich durch die Rechnung gemacht. Eines Tages möchte ich wieder hin, doch leider wird das wohl noch eine Weile dauern.
Ich plane nicht, demnächst noch einmal eine längere oder weitere Reise zu starten – aber ich werde trotzdem bald wieder unruhig, das passiert in regelmäßigen Abständen. Daher steht jetzt Großbritannien ganz oben auf der Liste.
Mein Kindle und mein eigener Schlafsack sind immer dabei. Und sogar mein Laptop, weil ich von unterwegs aus auch arbeiten kann und will. Der Schlafsack ist dabei, weil ich nie genau weiß, wie die Betten in Hostels oder anderen Unterkünften aussehen und ich mich besser fühle, wenn ich auf, unter oder in etwas Vertrautem schlafen kann.
Außerdem habe ich immer Katzenhaare dabei. Es ist nicht so, dass ich sie wirklich brauche, doch mein haariger Mitbewohner sieht sie als essentiell für all meine Reisen an und gibt sie mir daher ungefragt mit.
Ich habe immer Katzenhaare dabei. Mein haariger Mitbewohner sieht sie als essentiell und gibt sie mir daher ungefragt mit.
Jennifer Häuser, Wanderlust Introvert
Haltet euch von absoluten Aussagen fern. Leider herrscht auch unter Reisenden viel Missgunst. Wer fliegt, dem ist die Umwelt egal. Wer nur einmal im Jahr verreist, ist kein echter Reisender. Wer nicht tief in jede Kultur eintaucht, der braucht auch gar nicht erst losreisen.
Ich persönlich denke, dass jeder Mensch davon profitieren kann, zu reisen. Also sollten wir es auch jedem ermöglichen und dabei keine Vorschriften machen. Rücksicht auf andere und die Umwelt sollte trotzdem immer vorhanden sein! Sonst bleibt die Erfahrung auf der Strecke, weil wir immer mehr wollen, immer bessere Fotos brauchen oder nur noch Punkte auf einer Liste abhaken.
Speziell an die Introvertierten geht raus: Ja, ihr könnt und sollt reisen. Aber auf eure Wünsche und Bedürfnisse angepasst. Auch in fremden Ländern, darf man sich in sein Zimmer zurückziehen. Hostels dürfen euch zuwider sein und nein, ihr seid nicht komisch, weil ihr lieber alleine durch einen Wald spaziert, als auf eine wilde Party am Strand zu gehen. Wie man im Englischen sagt: You do you.
Mehr Reisegeschichten von Jennifer und Tipps für Introvertierte Reisende findet ihr auf Ihrem Blog Wanderlust Introvert, oder auf Instagram.